Zu Besuch im Dschungelbuch – Unser „wilder“ Amazonas-Trip

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„There may be fifty ways to leave your lover, but there are only a few to leave this aircraft“. Mit diesen Worten beginnt unsere Reise nach Südamerika. Aus Kostengründen fiel unsere Wahl auf Spirit Airlines (die amerikanische Variante von Ryan Air, nicht mal das Wasser ist umsonst). Las Vegas – Chicago, Chicago – Fort Lauderdale, Fort Lauderdale – Lima, gut dass wir „nur“ 3 Flüge hinter uns bringen müssen, von denen jeder Einzelne auch noch verspätet ist. Selbst die Mitarbeiter zeigen Galgenhumor, so der Stewart  bei der Sicherheitsbelehrung: „Wer auf der Toilette raucht muss 1000 Dollar Strafe zahlen und wenn Sie soviel Geld hätten, würden sie nicht mit Spirit fliegen…“.

That's the spirit!

That’s the spirit!

Abends an der Strandpromenade Limas begegnen wir dem Skateboarder Otto. Erst mal nichts außergewöhnliches, wäre Otto nicht eine ausgewachsene Bulldogge. Wild bellend rast er auf seinem Board an uns vorbei. Mit seinen kurzen Beinchen schafft er sogar selbst zu beschleunigen. Von seinem Herrchen erfahren wir, dass Otto seit 4 Jahren skatet, seine anderen Hobbies sind Surfen, Stand Up Paddling und Sandboarden. Außerdem hat er 22000 Fans auf Facebook, wir sind fassungslos und etwas neidisch…

Am nächsten Tag fliegen wir nach Iquitos ins Amazonasgebiet. Wie es sich für ein südamerikanisches Transportmittel gehört wird zwischendurch angehalten (gelandet) und noch ein paar Leute mitgenommen. Gut dass uns das die pupsende Dame älteren Semesters auf dem Gangplatz rechtzeitig aufklärt, sonst wären wir fröhlich auf halber Strecke ausgestiegen.

In Iquitos haben wir für eine Nacht ein Hostel der Kategorie „Very Low Budget“ im Slumviertel Belén (wie wir das immer schaffen zielsicher im schäbigsten Viertel der Stadt abzusteigen). Belén grenzt direkt an einen Seitenarm des Amazonas. An Land ist bereits alles auf engstem Raum bebaut, der Slum wächst daher aufs Wasser hinaus. Nahtlos gehen die Hütten in Stelzenhäuser über, immer weiter wuchert das Viertel in den Fluss hinein. Im Sonnenuntergang ist das chaotische Gewirr aus Holzhütten schön anzuschauen. Wenn man genauer hinsieht bemerkt man aber die Berge von Müll die große Teile des Flusses bedecken. Für uns ist es schmerzhaft zu sehen wie der Müll sprichwörtlich aus den Fenstern ins Wasser geschmissen wird. Doch diese Leute haben nun mal ganz andere Probleme als sich um ordnungsgemäße Müllentsorgung Gedanken zu machen. Trotzdem fühlen wir uns wohl, abends schlendern wir über den lokalen Markt, machen Fotos und schauen ein paar Kids beim Volleyballspielen zu.

Belén, Iquitos

Blick vom Hostel über Belén

Belén, Iquitos

Belén Streetlife

Markt von Belén

„don’t go there at night!“

Am gleichen Abend spielt Peru im Halbfinale des Copa America gegen Chile. Die erste Bar die wir auftreiben können um das Spiel zu schauen ist eine heruntergekommene Zockerspelunke, Michi fühlt sich sofort wie daheim und bestellt sich direkt ein Bier, ich bin mal wieder die einzige Frau unter Männern, den Blicken nach hat diese Lokalität auch noch nie eine Frau von Innen gesehen, von einer „Gringa“ ganz zu schweigen. Natürlich besitzt der Laden keine Damentoilette (wozu auch), die Manieren sind rau und es wird rigoros auf den Boden gespuckt, aber mir wird sofort einen Stuhl angeboten und man ist sehr um mein Wohl besorgt. Schon kurz nach Anpfiff fliegen die ersten Stühle und spätestens als Peru ein Tor kassiert wird es ungemütlich. Wir verlassen den Laden blitzartig zur Halbzeit und schauen die unglückliche Niederlage woanders zu Ende.

Gleich fliegen Stühle

Gleich fliegen Stühle

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Unser Amazonasabenteuer beginnt. Wir haben auf Empfehlung einer Freundin die San Pedro Lodge gebucht und wollen dort die Yarapa River Tour machen (ein weiterer Nebenarm des Amazonas). Von Iquitos aus fahren wir 6 Stunden mit Bus und Boot tief ins Innere des Amazonas. Schon auf der Hinfahrt fragt mich unser Guide „Wilder“ (Er ist nicht wild, er ist Wilder!) ob ich abends nicht Ayahuasca probieren möchte. Ich habe keine Ahnung von was er spricht und zeige mich interessiert. Er hält mir eine übelriechendes Gebräu in einer PET-Flasche unter die Nase und meint das wäre so eine Art „Kur“ für Körper und Geist, man müsste sich danach übergeben („zur Reinigung“) und anschließend würde man bunte Farben sehen. Ich probiere kurz, es schmeckt nach Verwesung und lehne ab. Später erfahre ich das es sich dabei um das LSD der Amazonas-Indiander handelt, nur das mittlerweile Leute aus der ganzen Welt zu Schamanen in den Dschungel reisen um sich auf mehrtägige, teilweise lebensveränderte Trips zu begeben. Nächstes Mal vielleicht.

Ayahuasca - erst Durchfall, dann bunte Farben

Ayahuasca – erst Durchfall, dann bunte Farben

Am Ziel kurze Verwirrung, warum sieht hier nichts so aus wie im Internet??? Kurze Nachfrage bei „Wilder“, der uns erklärt dass diese Tour nie in die Lodge führen sollte und wir bei ihm daheim übernachten werden. Wir sind etwas verstört und als uns klar wird das wir wohl das Kleingedruckte übersehen haben ist die Stimmung kurz am Boden (okay, den ganzen ersten Tag. Der Unterschied zu den Bildern der Lodge die wir erwartet hatten und unserer Herberge könnte aber auch nicht größer sein, über den Preis wollen wir gar nicht reden…).

Der erste Ausflug mit dem Boot durch den Dschungel versöhnt uns aber sofort wieder mit der Situation. Wie bestellt treffen wir auf eine Affenfamilie die sogar zu uns Boot kommt und sich streicheln lässt (nachdem sie Wilder mit Obst bestochen hat). Nach dem ersten Traum-Sonnenuntergang sind wir schon wieder blind vor Begeisterung für unser Dschungel-Abenteuer. Leider ist unsere Stimmung so unbeständig wie das Wetter: Als wir zu einer Nacht-Exkursion aufbrechen wollen entlädt sich neben unserem Boot ein einziger gewaltiger Blitz im Wasser zusammen mit einem brachialem Donnerschlag. Nach dieser Nahtoderfahrung sind wir bedient und kriechen unter unser Moskitonetz. Unser mit allen Amazonaswassern gewaschener Guide Wilder zeigt sich komplett unbeeindruckt und schnarcht hör- und sichtbar im  „Nebenzimmer“ (die „Wand“ besteht zum Großteil aus Moskitonetz).

Yarapa River, Amazonas

Zuhause auf dem Yarapa River

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Neuer Tag, neues Glück. Das Amazonasgebiet ist wirklich wunderschön. Wir leben auf einer kleinen Insel mitten im Yarapa River, baden morgens im Fluss („ist das ein Krokodil da drüben?“) und nehmen am Leben der „River people“ teil. Wilder ist ein echter Native, seiner Familie lebt seit Generationen hier. Noch zu seiner Kindheit kannten Sie Elektrizität nur vom Hörensagen. Alle hier leben in engster Symbiose mit dem Fluss, viele noch immer nach den Regeln Ihrer Vorfahren, völlig autark von der Zivilisation. Der perfekte Manager-Burn-Out-Retreat.

Abends beim Sonnenuntergang dann die Sensation: Egal wo auf der Welt uns bisher Delfine versprochen wurde, haben wir nie einen gesehen. „Dolphin is not at home“ (Ägypten), “ Dolphin is sleeping“ (Thailand), „Dolphin is afraid of Taifun“ ( Philippinen), dies waren nur einige der schäbigen Erklärungsversuche, die wir uns anhören durften. Nicht so heute. Im Yarapa River gibt es sowohl graue als auch pinke Delfine und wir sind von ca. 20 Exemplaren umzingelt. Und als ob dass nicht reichen würde haben sie auch noch ein Delfinbaby dabei! Dieser Anblick wiegt sämtliche lebenslangen Delfinenttäuschungen auf. Die Gruppe feiert seinen Nachwuchs in dem sie das Junge immer wieder mit der Nase in die Luft schleudern. Selbst unser Guide erwacht zum Leben und hält es kaum noch im Boot aus, wir werden offensichtlich Zeuge einer nicht alltäglichen Vorführung.

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Machete!

Machete!

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Don’t bug me!

Dieser Moment, wenn alles zu perfekt ist um auf Foto festgehalten werden zu können (und man es trotzdem 100 Mal versucht)

Dieser Moment, wenn alles zu perfekt ist um auf Foto festgehalten werden zu können (und man es trotzdem 100 Mal versucht)

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Euphorisiert von diesem Erlebnis beschließt Wilder uns bei einem Nightwalk noch einen Alligator mit der bloßen Hand zu fangen. Wait, what? Tatsächlich schafft es dieser Teufelskerl ein relativ großes Exemplar aus dem Wasser zu packen. Voll Adrenalin wird die Beute abfotografiert. Ob wir es mal halten wollen? Bevor wir sagen können das dafür absolut keine Notwendigkeit besteht haben wir den kleinen Racker  schon im Schoß. „Hold his head tight, so he cannot bite you“. Ah, danke für die Information. Schon nach kurzer Zeit tut uns Schnappi leid und wir bitten unseren Guide den Alligator wieder frei zu lassen. Leider haben wir die Rechnung ohne den Wilder gemacht. Der will noch Beweisfotos bei Tageslicht und beschließt kurzerhand den armen Kerl mit nach Hause zu nehmen. Dort wird erstmal die ganze Verwandtschaft geweckt, voller Stolz präsentiert unser Crocodile Hunter seinen Fang bevor er ihn im „Nachbarzimmer“ einquartiert. Die „Tür“ und ein paar lose Holzbretter werden professionell mit einer davorgeschobenen Werkzeugkiste gesichert. So verbringen wir die zweite Nacht nicht nur Tür an Tür mit Wilder, sondern auch noch mit einem Alligator, der ordentlich Alarm macht. Aber hey, wir wollten den echten Amazonas, also haben wir ihn auch bekommen…

Nach 3 Tagen sind wir zurück in Iquitos und verbringen eine letzte Nacht am Amazonas. Im Hostel hängen überall Schilder das man auf keinen Fall auf eigene Faust auf den Markt in Belén gehen soll und abends sich dort besser gar nicht aufhält. Manchmal ist es besser wenn man vorher nicht alles weiß was einen erwartet.

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Wilder: 1 – Schnappi: 0

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Fressen oder gefressen werden: Piranhas angeln

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Weltuntergang in Iquitos

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