„Wir können überall hinreisen, aber nach Kolumbien gehe ich auf keinen Fall!“. Diesen Satz habe ich so oder so ähnlich am Anfang unserer Reiseplanung mehrfach von mir gegeben. Hat ja mal wieder super geklappt….Naja, Michi hatte ja auch eineinhalb Jahre Zeit mich weich zu kochen und jeden auf mich anzusetzen, der in Kolumbien war und dem es dort gefallen hat. Und so kommt es dass wir uns nachts in den Straßen von Downtown Medellin wiederfinden (Regel Nummer 1: gehe NIEMALS nachts nach Downtown Medellin), kein Taxi hält an, ein betrunkener Obachloser brüllt uns ins Ohr und ich frage mich, wie haben wir das schon wieder geschafft? Passiert ist nichts weiter, außer dass uns ein beinloser Bettler auf einem Skateboard verfolgt hat und ich einen „kleinen“ Nervenzusammenbruch hatte, schließlich wollte ICH NIE nach Kolumbien!!!
Aber der Reihe nach. Als wir in Lima ins Flugzeug steigen, freuen wir uns endlich in die Wärme zu kommen. Ankunft in Bogota bei 16 Grad, nicht gerade die Wärme die wir uns vorgestellt haben (Fun fact: Hier wird es nie wärmer als 20 Grad. Wieder was gelernt…). Nach einer Nacht düsen wir weiter nach Medellin.
Medellin war viele Jahre lang die gefährlichste Stadt Südamerikas. Die Drogenkriege der Kartelle beherrschte das Leben der Menschen und fast jeder Kolumbianer hat einen oder mehrere Angehörige, die auf schlimme Art und Weise ums Leben gekommen sind. Dennoch sind die Kolumbianer ein fröhliches Volk und nehmen jeden Anlass zu feiern wahr. Außerdem mögen sie Blumen und das wohl schon seit langer Zeit. Daheim in Deutschland liest meine liebe Oma nämlich immer in einem 40 (!!!) Jahre alten Buch nach, was wir über unser jeweiliges Reiseland wissen müssen. Im Vorfeld lässt sie uns via Email ausrichten, dass die Kolumbianer große Orchideenfreunde sind. Und so findet während wir in der Stadt sind tatsächlich das Flower Festival statt. Eine Woche ist Ausnahmezustand und das florale Fest scheint vor allem Anlass für tägliche Besäufnisse zu geben. Es gibt sicher schlechtere Gründe sich zu betrinken als der Anblick ein paar sehr bunter Blumen…
In Kolumbien werden wir zu Fans der „Free Walking Tour“, einer Stadtführung durch Locals auf Trinkgeldbasis. In Medellin kommen wir 4 Stunden in den Genuss, einer jungen Kolumbianerin zuhören zu dürfen, die uns sehr persönlich über die Geschichte ihrer Stadt erzählt. Downtown gehört zu den beeindruckendsten Vierteln der Stadt. Früher trauriger Hauptschauplatz des kriminellen Medellins wurde es in den letzten Jahren in ein Vorzeigeviertel umgewandelt. Dennoch wird uns nochmal nachdrücklich eingeschärft sich hier nicht nachts aufzuhalten, da spätestens gegen acht Uhr die Pendler und Polizisten das Viertel verlassen und die leeren Straßen dem kriminellen Millieu gehören. Aus diesem Grund ist unsere Führerin auch völlig entsetzt, dass wir in einem Hostel um die Ecke wohnen. Auch wir haben schon gemerkt dass vor der Hoteltür Geschäfte aller Art gemacht werden und versuchen lange Fußmärsche bei Dunkelheit zu vermeiden (Klappt meistens, siehe oben). Als ich beim Frühstückseinkauf allerdings 30 Dollar verliere und die mir einen Block lang hinterhergetragen werden, schwöre ich mal wieder beschämt allen Vorurteilen ab.
Wir reisen weiter nach Cartagena und verlieben uns spontan in diese wunderschöne Küstenstadt. Bunte Gässchen, Streetart, alles blüht in leuchtenden Farben. Man merkt allerdings auch sofort, dass hier viele Touristen mit Geld hinkommen, in der Altstadt ist alles ist enorm sauber und hochwertig (und teuer). Auch die Menschen. Kolumbien hat ca. 30 Millionen Einwohner weniger als Deutschland, aber es werden jährlich fast genauso viele Schönheitsoperationen durchgeführt. Es gibt also viel zu schauen und erklärt auch, warum man in den Geschäften fast nur hautenge Oberteile kaufen kann, die Kolumbianerinnen zeigen gerne was sie haben. Da nur Brüste schauen auf die Dauer aber auch langweilig ist, nehmen wir in Cartagena wieder die Free Walking Tour in Anspruch. Allerdings nimmt unser Guide Edgar seinen Bildungsauftrag sehr ernst und fragt uns wie in der Schule ab. Am Ende sind wir erleichtert das nicht noch ein schriftlicher Test folgt.
Aufgrund unseres Budgets leben wir außerhalb der schönen Altstadt im echten und tourifreien Teil der Stadt (hier nachts auf keinen Fall…jaja, wir kennen das). Unsere supernette Gastgeberin Diana integriert uns sofort in ihre Familie: Töchterchen Tiffany genannt Titti, zwei Hunde, drei Katzen und ein Papagei. Hier spricht keiner ein Wort Englisch aber Diana ist ganz begeistert von Miguels Spanischkenntnissen: „Wie ein Muttersprachler“. Wir genießen es sehr mal wieder einen festen Alltag zu haben. Tagsüber schlendern wir durch die Straßen, berauschen uns am allgegenwärtigen Duft des göttlichen kolumbianischen Kaffees, durchforsten die lokalen Märkte und tragen abends euphorisch tütenweise frische Früchte und die leckersten Avocados der Welt in Dianas Outdoorküche. Die Tage hier, so unscheinbar und banal sie waren, werden uns trotzdem als Highlight dieser Reise in Erinnerung bleiben. Es muss eben nicht immer Unesco Weltkulturerbe sein… Wie bitte, Cartagena IST Unesco Weltkulturerbe?!?!? Egal, Hauptsache die Message kam an.
Karibikfeeling in Kolumbien: Der Tayrona National Park
Zu guter Letzt machen wir noch einen Ausflug in den Tayrona Nationalpark. Der Park liegt an der Karibikküste, die weißen Strände und der Campingplatz sind aber nur mittels einer zweistündigen Wanderung (oder wenn Geld keine Rolle spielt: per Boot von Santa Marta) zu erreichen. Sherlock Scherb hat aber im Internet auf einer gezeichneten Karte einen Schleichweg entdeckt, „der viel kürzer aussieht“. Bereits in dem Moment in dem wir als Einzige aus dem vollen Bus aussteigen kommen uns bereits leise Zweifel. Die Rangerin am provisorischen Nebeneingang des Parks begrüßt uns freudestrahlend, es würden schließlich nicht viele Touristen den 3 1/2 Stunden langen Weg nehmen, vom Haupteingang wäre es ja viel kürzer. Als wir uns bei 35 Grad und gefühlten 110% Luftfeuchtigkeit 40 Minuten einen Dreckhügel hochquälen, schwöre ich niemals mehr gemalte Karten in Anspruch zu nehmen! Eigentlich schwöre ich mir auch generell nie wieder zu wandern oder das Internet zu benutzen!!! Als endlich durch das Dickicht des Dschungels das Meer aufblitzt und Affen über unseren Köpfen durch die Bäume turnen fantasieren wir von verlassenen Stränden und fühlen uns wie Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel. Das wäre nach der Tortur nur fair gewesen, aber da das Leben nicht immer gerecht ist, ist Nationalfeiertag und ganz Kolumbien ist auch schon da. Mit viel Glück bekommen wir noch ein Zelt und können dann endlich die wirklich wunderschöne Bucht genießen. Mit schlafen, lesen, schwimmen und das üppig grüne Postkartenpanorama genießen verbringen wir zwei fantastische Tage.
Nach diesen wenigen Tagen in Kolumbien haben wir ein neues Lieblingsreiseland. Vorbei die Zeiten der Drogen- und Entführungsfantasien. Wir denken viel mehr an fröhliche Menschen, die in ihrer Freizeit gerne Drachen steigen lassen und auf leckere Backwaren stehen…Und für die nächste Weltreise heißt es „Wir können überall hingehen, aber nach Kolumbien müssen wir auf jeden Fall!“.
Rumkommen
Überlandbusse sind einfach an den jeweiligen Busbahnhöfen buchbar und erschienen uns als relativ sicher. Bei grösseren Distanzen checkt die Angebote der Billigairline Viva Colombia, häufig nicht viel teurer als die Busse und wesentlich komfortabler.
Medellin
To do:
Mit der Seilbahn Metrocable ins Slumviertel Santo Domingo und die spanische Bibliothek anschauen.
Plaza de Botero, schöner Platz mit netten Skulpturen an dem immer was los ist
Free walking Tour durch Downtown, 4stündige Stadtführung auf Trinkgeldbasis, absolut empfehlenswert. Montag bis Freitag 9 Uhr& 14:20 Uhr, Samstag 10 Uhr. Da sehr beliebt, unbedingt unter www.realcitytours.com im Voraus buchen.
Essen & Ausgehen:
Im Stadtviertel Poblado befindet sich das sichere Ausgehviertel Zona Rosa. Vor allem rund um den Parque Lleras ist nachts viel los.
„Crepes& Waffles“. Essenstechnisch ist der Name Programm, süss und herzhaft. Es handelt es sich zwar um eine Kette, ist aber vor allem bei jungen Kolumbianern enorm beliebt. Gutes Preis- Leistungsverhältnis.
Rund um Medellin
Tagesausflug nach Guatape:
Mit den lokalen Bussen erreicht man das malerische Städtchen Guatape und das dazugehörige Seenareal in ca. 2 Stunden. Busse gehen stündlich, einfach vor Ort am Busbahnhof Ticket kaufen. Auf dem Weg dorthin kann man den El peñol Rock besteigen, einen massiven Berg, der als Aussichtspunkt über die Seenlandschaft dient. Einfach dem Busfahrer sagen, er soll einen dort rauslassen. Unten am Berg lauern bereits TukTukfahrer, die einen hochbringen wollen, man kann aber problemlos in 15 Minuten zum Eingang laufen.
Cartagena
To do:
Die historische Innenstadt lässt sich gut auf eigene Faust zu Fuss erkunden. Für die, die gern noch etwas mehr über Cartagena erfahren möchten eignet sich erneut die Free Walking Tour. Hier muss online aber nicht vorgebucht werden, man trifft sich täglich einfach um 10 Uhr oder 15 Uhr am Plaza Santa Teresa, die Tourguides tragen rote Shirts.
Essen & Ausgehen:
Cafe Lunatico, absoluter Geheimtip. Ein junger Spanier kocht auf Topniveau. Das Tagesmenü gibt es trotzdem schon für fünf Euro!
Café del Mar
Hippe Bar an den Stadtmauern mit Blick aufs Meer. Wer nicht so viel Geld für einen Cocktail ausgeben möchte, direkt neben dem Café verkaufen Strassenhändler Bier und der Sonnenuntergang ist zum Glück kostenlos.
Unterkommen:
Casa Torices Real, beste Budget Option in Cartagena. Doppelzimmer mit Fan und eigenem Bad, ausserdem schöner Aussenbereich mit Sitzgelegenheiten und Gemeinschaftsküche. 5 Minuten mit Bus oder Taxi ins historische Zentrum. Die Besitzerin Diana ist supernett, spricht aber nur spanisch.
Rund um Cartagena
Ausflug zum Tayrona Nationalpark
Von Cartagena mit öffentlichen Bussen (Cartagena-Santa Marta, Santa Marta-Tayrona Nationalpark), in ca. 6h, man muss aber früh los, da man nur bis 15 Uhr im Nationalpark loswandern darf.
(Alternativ mit dem Busunternehmen Marsol, inkl. Abholung vom Hotel in Cartagena, doppelt so teuer aber spart Zeit)
Die Wanderung dauert 2-3 Stunden, genügend Wasser (mindestens 2-3 Liter) mitbringen. Hängematten und 2-Mann-Zelte sind vor Ort buchbar. WICHTIG: Genug Bargeld mitbringen. Es gibt ein Restaurant und einen Kisok, aber keinen ATM. Reisepass mitbringen, wird am Parkeingang verlangt. Bei Besuchen von 2-3 Tagen reicht kleines Gepäck. Wer nicht schleppen möchte kann sich auch ein Pferd mieten oder selber reiten.
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