Strand, Rum, Reggae-music, Roatan ist ein einziges Karibik-Klischee-Bingo. Wenn Werner Schulze-Erdel 100 Leute fragen würde was Ihnen zur Karibik einfalle, müsste Roatan die Top-Antwort sein.
Wie entscheiden wir eigentlich über unsere Reiseroute? Zum Beispiel so: Vor drei Monaten findet Chrissi in einem Hostel auf Hawaii ein abgegriffenes Buch und schenkt es mir. „To hold the sun“ spielt auf Roatan. Ich lese es eher aus Alternativlosigkeit als aus Interesse. Das Buch ist ganz nett, die Beschreibung der Insel macht aber Lust auf mehr. Dieser Ort war nie auf meinem Radar, aber als wir zwei Monate später in Kolumbien sitzen und uns überlegen wo es als nächstes hingehen soll, ist schnell klar dass uns dieser Zufallsfund das nächste Reiseziel beschert hat.
Vergiss die Südsee
Der Blick aus der kleinen Propellermaschine sieht aus wie direkt aus dem Geo-Heftle. Die Insel sieht aus der Ferne aus wie ein kleiner grüner Klecks Dschungel auf tiefblauem Grund, umgeben von einem gigantischen türkisblauen Rahmen (Geomäßiger fun fact: das zweitgrößte Saumriff nach dem Great Barrier Reef). Je näher man kommt, desto besser erkennt man die makellos weißen Strände die das Grün vom Blau abtrennen. An Einem davon wohnen wir jetzt eine Woche. Alles richtig gemacht.
Es gibt zwei Orte auf Roatan für Touristen. Wir leben in Westend, der Backpackermeile. Eine Straße am Meer, auf beiden Seiten ein paar Hotels, Tauchbasen, Bars und Restaurants, das wars. Westbay ist fünf Minuten mit dem Wassertaxi entfernt, hier sind die teuren Hotels aber auch der schönere Strand. Wobei „schön“ eine schon fast beleidigende Untertreibung ist. Kategorie Traumstrand, Fototapete, 10 von 10 Punkte, vergiss die Südsee. Der Sand ist wie Puderzucker, das Meer türkis und glasklar, man will nicht aufhören hinzuschauen. Bei all der Perfektion, einen Makel hat das Ganze und der zeigt sich uns gleich am ersten Tag von seiner hässlichsten Seite.
Die Insel dient als Tagesstopp für amerikanische Kreuzfahrtschiffe. An diesen Tagen ist man besser nicht da. Zwei bis drei Ozeanriesen belagern den Hafen und spucken auf einen Schlag ein paar tausend Amerikaner auf der Suche nach dem schnellen Karibik-Kick aus. Als wir in Westbay ankommen ist der Strand belagert von sehr übergewichtigen, sehr weißhäutigen Amerikanern in XXL Baseball-Jerseys und Navy-Basecaps. Sie liegen im seichten Wasser wie gestrandete Wale, in jeder Hand ein Miller Light. Ganze Rudel pflügen durchs Riff, bis an die Zähne bewaffnet mit neonfarbenen Schwimmwesten und GoPros. Fische sind da schon lange keine mehr zu sehen. Die Insel lebt von den Kreuzfahrtschiffen, in der Hauptsaison bis zu 15 pro Woche, alles ist auf Hardcore-Bespaßung ausgelegt. 30 Minuten Rundfahrt über die Insel, eine Stunde Sonnenbad und Fotos am Strand, dann noch schnell einen Schnorcheltrip, Parasailing oder Jetski und um 15 Uhr ist der Spuk vorbei und die Insel versinkt wieder in ihrer gewohnten Lethargie.
Wir haben Glück, es ist Nebensaison. In unserer Woche hier kommen nur an einem einzigen, besagtem ersten Tag zwei Schiffe, der Rest der Zeit gehört die Insel uns und seinen Bewohnern: Locals wie Westler die hier leben, arbeiten und oftmals einfach hängen geblieben sind. Nach zwei Tagen hat man das Gefühl man kennt Jeden.
Neben dem Tauchen, meiner Hauptmotivation nach Roatan zu gehen, gibt es glücklicherweise nicht all zu viel zu tun. Der Rest der Insel besteht aus Dschungel und ein paar vereinzelten Dörfern, aber davon kriegen wir nichts mit. Wir sind viel zu beschäftigt diese Real-Life-Raffaelo-Werbung in vollen Zügen auszukosten. Am Strand liegend warten wir auf den täglichen Besuch von Milton, dem Banana-Donut-Mann. Nach dem Abendessen pilgern wir mit dem Rest der Meute für den Sonnenuntergang zur Strandbar „Sundowners“. Happy-Hour und Bob Marley, man kann schon verstehen warum für viele hier aus zwei Wochen Urlaub das restliche Leben wurde. Nach zwei Rum Punch überlegt man in eine eigene Strandbar zu investieren oder mit dem Banana-Donut-Mann einen Franchise-Deal einzugehen, nach zwei Weiteren schon wie lange der Überseecontainer braucht (4 Wochen) und in welcher Farbe man sein Holzhaus streicht (mintgrün). Unsere Hütte liegt glücklicherweise direkt gegenüber.
Am letzten Tag leiht sich unser Kumpel und Soon-to-be-Geschäftspartner Milton a.k.a. the Banana-Donut-Mann 5 Dollar (4 Banana-Donuts!!!) von uns, die wir natürlich nicht wieder sehen. Die Realität holt einen leider doch überall ein. Oder nur ein weiterer Grund irgendwann nochmal wiederzukommen.
Hinkommen:
Flüge über Panama, El Salvador oder direkt von USA (z.b. Houston) oder auch Rom. Wenn man in der Gegend ist, die Fähre vom honduranischen Festland ist natürlich deutlich günstiger.
Unterkommen:
Wir haben im sehr netten Hostel Chillies in Westend übernachtet. Hütte für zwei Personen mit eigenem Badezimmer in einem kleinen Garten, Hängematte inklusive, für 34 $. Liegt strategisch gut direkt gegenüber der Strandbar „Sundowners“.
Rumkommen:
Wassertaxis nach Westbay kosten 3$ p.P. (5$ nach Sonnenuntergang) und fahren den ganzen Tag. Normale Taxis zum Flughafen (von Westend nicht mehr als 10 $!!!) oder überall sonst hin.
To do:
#1-Beschäftigung: Tauchen. Roatan Divers in Westend war die Basis meiner Wahl und kann man bedingungslos empfehlen, wobei die meisten Basen wohl ziemlich ähnlich sind. Mehrsprachige Guides, kleine Gruppen, gute Ausrüstung sind überall Standard.
Westbay-Beach ist teurer, der Strand ist aber sensationell. Schöner ist es auf den Malediven auch nicht. Am westlichen Strandende beginnt das Riff. Unbedingt Schnorchelausrüstung mitbringen, man fühlt sich wie im Aquarium.
Sundowners ist die populärste, aber nur eine von vielen netten Strandbars und Restaurants von denen man abends in Westend den Sonnenuntergang anschauen kann. Live-Musik gibt es jeden Abend mit wechselnden Acts.
Gegenüber des Wassertaxistands im Westend gibt es günstige Essensmöglichkeiten. Für drei US Dollar bekommt man bspw. einen riesigen, köstlichen Baleada, einen Tortilla mit Bohnen, Avocado, Hühnchen, etc.. Auch gut „Anthony’s Chicken“. In Westbay Strandbar „Beacher’s“.
TIPP:
In der Nebensaison kommen. Es hat nur einmal geregnet, aber die Insel war herrlich verlassen und mit dem Wahnsinn der Kreuzfahrt-Touristen geht der Reiz doch ziemlich verloren