Da LA ja bekanntlich unseren Vibe gekillt hat, fühlen wir uns mit jedem Meter den wir aus der Stadt raus fahren besser. Leider führt unser schlechtes Offline Navigationsgerät dazu, dass wir uns sogar auf dem Highway No 1 verfahren und in einer Militärbasis landen. Man nimmt Michi seine Papiere ab und erst nachdem festgestellt wird, dass wir weder zu Al Qaida noch zum IS gehören dürfen wir weiterfahren.
Wir machen gut Kilometer und sehen auf unserem Weg Orte wie Malibu und Big Sur, sowie wilde Seelöwen und Robben. Der dauerhaft wolkenverhangene Himmel führt allerdings dazu, dass sich das California Feeling nicht so wirklich einstellen will und unsere Fotos sehen aus, als hätten wir unseren Urlaub an der schottischen Küste verbracht. Hinzu kommt, dass wir für unseren Trip zielsicher das erste amerikanische Ferienwochenende ausgesucht haben und die Motelpreise ins Unermessliche steigen. Verzweifelt nehmen wir die wirklich allerletzte AirBnB Möglichkeit im Kaff Salinas wahr und landen in der Villa von Chiropraktiker Travis. Beim alkoholgeschwängerten Abendessen überzeugt er uns Kalifornien noch eine Chance zu geben.
Santa Cruz empfängt uns mit einer Charmeoffensive: Sonnenschein, Strand und ein bonbonfarbener Oldschool-Vergnügungspark direkt am Meer, inklusive der 90 Jahre alten Holz-Achterbahn „Giant Dipper“. Entspannte Leute auf Beach Cruiser-Bikes prägen das Bild des Surfer-Städtchens, im Zentrum reihen sich Second-Hand-Shops und Plattenläden aneinander. Glückselig darüber wohin uns der Zufall schon wieder geführt hat verlängern wir bei unserem Super-Host Travis, dafür werden wir auch prompt zur Haus-Party eingeladen. Da uns unter anderem auch der kulturelle Austausch ein wichtiges Anliegen ist steigen wir sofort bei den Trinkspielen von Travis Teenagertochter und ihren lustigen Freunden ein. Spätestens als wir zu später Stunde im Vorgarten der Villa mit Orangen und Zwiebeln Hippieball spielen, stellt sich auch bei uns das „Cali-Feeling“ ein…
Die Weiterfahrt nach San Francisco treten wir mal wieder ganz spontan ohne Unterkunft für die nächste Nacht an. Nachdem wir um halb zehn abends 25 überteuerte Unterkünfte abgeklappert haben sind wir so verzweifelt, dass wir beinahe im „Avalon“ absteigen. Der Gestank des „Empfangs-Kabuff“ lässt einen fast ohnmächtig werden und der „Rezeptionsinder“ weigert sich uns vor Bezahlung die Garage das Zimmer zu zeigen. Im letzten Moment rettet uns ein Last Minute Internet Deal (Achtung, Werbung: Es lebe Booking.com!!! /Werbung Ende). Im Nachhinein schauen wir uns die Bettwanzenbilder aus dem Avalon im Internet an und haben das dringende Bedürfnis zu duschen.
Endlich in San Francisco! Erneut finden wir bei einem Lebenskünstler für einige Tage ein neues Zuhause. Der verrückte Franzose Dominique arbeitet fürs Burning Man Festival und hat mit viel Liebe ein kleines Holzhäuschen im Süden der Stadt restauriert. Seine Wohnung gleicht einem Museum, der Original-Säbel seines Großvaters aus dem ersten Weltkrieg steht neben dem Biedermeier-Sofa, eine 100 Jahre alte Seemannskiste dient als Wohnzimmertisch. Sein Fable für Historisches untermauert er beim Abendessen mit zahllosen geschichtlichen Anekdoten, mit zunehmendem Rotweinpegel immer ausufernder und untermalt von seltsamen Ahhhh und Ohhh Lauten. Er wirkt dabei selber etwas aus der Zeit gefallen und wir schwanken permanent zwischen Neugier für diesen vielschichtigen Charakter und der Überzeugung das wir es hier mit Louis de Funes mit Alkoholproblem zu tun haben.
Frisco, wie der Amerikaner die Stadt mit der Golden Gate Bridge auch nennt, ist das genaue Gegenteil von LA und trifft genau unseren Nerv. Wir geben unseren Mietwagen ab und sind zu Fuss, mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Gleich am ersten Tag schauen wir uns ein Baseballspiel der Giants in der eindrucksvollen AT&T Arena, die direkt am Meer liegt an. Abends gehts sportlich weiter. Die Golden State Warriors spielen um die Baskettballmeisterschaft. Beim Public Viewing werden wir Zeugen wie das heimische Team das erste Mal seit den siebziger Jahren den Pokal holt. Die Menge rastet aus und wir bekommen eine Champagnerdusche.
Die nächsten Tage erkunden wir Chinatown und fühlen uns bei Dim Sum und einer Pho gleich wie daheim. Wir schlendern durch den Golden Gate Park und das ehemalige Hippieviertel Haight Ashbury. Hippies gibt hier leider keine mehr, aber man sagt uns wir sollen nach einem Typ Ausschau halten der einen Frosch um den Hals trägt, der verkaufe einem die besten Drogen. Mit etwas Glück schaffen wir es Tickets für die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz zu bekommen. Die spannende Audiotour, bei der ehemalige Gefangene und Wärter von ihren Erlebnissen berichten, kann man nur empfehlen. Der Ex-Gefangene der im Souvenir-Shop sein Buch signiert und mit begeisterten Touristen für ein Foto posiert sieht aber eher so aus als wünsche er sich in die Zelle zurück.
Einer unserer Lieblings-Orte sind das Lesben- und Schwulenviertel Castro und der Mission District. Hier liegen wir am Sonntag mit hunderten Anderen im Park, neben uns spielen ein paar Hipster Steel Drum (was auch sonst), wir haben den Song von Scott Mckenzie im Ohr und sind sehr glücklich.
Zum Abschied fahren wir nochmal bei strahlendem Sonnenschein über die Golden Gate Bridge und haben beide das Gefühl, dass man in dieser sehr unamerikanischen Stadt auch gut leben könnte…
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…hier gehts weiter zu Part 3: Yosemite Nationalpark bis Las Vegas
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